- Gebäudebrand - ein verletzter FA
(bl) Bad Harzburg (NS). Am späten Nachmittag wurde die FF Bad Harzburg zu einem Gebäudebrand mit Menschenleben in Gefahr alarmiert. Beim Eintreffen der ersten Fahrzeuge standen die Zimmer im Erdgeschoss an der Südseite in Vollbrand. Der Ersteinsatzleiter (Ortsbrandmeister) traf auf der Gebäuderückseite auf drei Personen, zwei erwachsene Frauen und ein Kind, denen es offensichtlich gerade noch gelungen war, aus dem Gebäude zu fliehen. Alle Personen hatten rußgeschwärzte Gesichter. Es wurde dem Einsatzleiter mitgeteilt, dass sich zwei kleine Kinder im Obergeschoss befinden. Aus der Erdgeschosswohnung drang bereits deutlich Rauch in den Treppenraum hinein. Die Menschenrettung wurde sofort eingeleitet. Hierzu nahm der erste Angriffstrupp Fluchthauben und ein C-Rohr über den Treppenraum vor, zudem wurde ein mobiler Rauchverschluss vor die verschlossene Brandraumtür gesetzt. Die Drehleiter ging in Anleiterbereitschaft und weitere Trupps wurden eingeteilt. Der zweite Angriffstrupp setzte eine Wärmebildkamera ein. Der Sicherheitstrupp, standardmäßig bei der Feuerwehr Bad Harzburg mit einem Rettungsatemschutzgerät in einer speziellen Tragetasche und weiteren Rettungsmitteln ausgerüstet, stand sofort auf der Gebäuderückseite am Hauseingang in Bereitschaft. Für die Angriffsleitungen wurde ein Schnellangriffsverteiler auf dem Hof, vor dem Hauseingang platziert und zwei Angriffsleitungen in das Gebäude vorgenommen
Der erste Angriffstrupp kämpfte sich bei fast Nullsicht im Treppenhaus hoch bis in die oberste Wohnung um dort nach den beiden Kindern zu suchen. Die Angriffsleitung wurde bis ins Obergeschoss mitgeführt. Zu diesem Zeitpunkt verhinderte der mobile Rauchverschluss eine massive Rauchausbreitung in den Treppenraum. Der Angriffstrupp fand in der obersten Wohnung die beiden Kinder und begann damit ihnen die Brandfluchthauben aufzusetzen. Hierfür war es notwendig, dass sich die beiden Kameraden ihrer Einsatzhandschuhe entledigten. Zu dieser Zeit brannte der mobile Rauchverschluss im oberen Bereich durch, massiv drang jetzt der Brandrauch in den Treppenraum ein und heizte diesen sehr stark auf. Der Angriffstrupp hatte zum Auffindzeitpunkt der beiden Kinder noch einige Dezimeter Sichtweite gehabt, diese wurde ihm aber jetzt gänzlich entzogen und die obere Wohnung füllte sich schlagartig mit heißen Brandgasen, die ebenfalls dann massiv aus den Wohnungsfenstern austraten. Es war jetzt nur noch eine Frage der Zeit, wann es zu einer Durchzündung des gesamten Treppenraumes und der Obergeschosse kommen konnte.
Der zweite Angriffstrupp hatte sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon im Treppenraum ins Obergeschoss hochgearbeitet und wurden auch von den heißen Brandgasen erfasst. Der erste Angriffstrupp, jeder Feuerwehrmann hatte ein Kind im Arm, verlor sich jetzt aus den Augen. Der eine Kamerad fand durch den plötzlich eingetretenen massiven Brandrauch seine Einsatzhandschuhe nicht mehr und er entschloss sich, sofort mit dem Kind in Richtung Treppenraum zu gehen. An der Wohnungstür traf er auf den zweiten Angriffstrupp. Da er sich zu diesem Zeitpunkt schon leichte Verbrennungen an den Händen zugezogen hatte, übergab er das Kind dem zweiten Angriffstrupp. In letzter Sekunde schafften es die drei Kameraden mit dem Kind im Arm noch an der Brandwohnung vorbei ins Freie zu gelangen.
Fieberhaft versuchten jetzt die Einsatzkräfte am Hauseingang Kontakt mit dem im Obergeschoss verbliebenen Kameraden, der ebenfalls ein Kind im Arm hatte, aufzunehmen. Der Rückweg war zu diesem Zeitpunkt aufgrund der enormen Hitze im Treppenraum abgeschnitten. Es herrschte jetzt eine absolute Ausnahmesituation, die man bei keiner noch so realistischen Übung nachspielen könnte. Nachdem feststand, dass sich der verbliebene Kamerad über Funk nicht mehr meldete löste der Einsatzleiter den Atemschutznotfall mit der Durchsage an alle Einsatzkräfte „Mayday, mayday, mayday“ aus. Alle verfügbaren Kräfte wurden zusammengezogen. Plötzlich erschien der vermisste Atemschutzgeräteträger mit dem Kind im Arm an einem der Fenster im Obergeschoss. Die Drehleiter wurde jetzt zu diesem Fenster geleitet. Allerdings erschwerten die Bäume vor dem Gebäude das Anleitern und der Drehleiterkorb erreichte das Fenster gerade so, war aber jetzt nur in einem spitzen Winkel zum Gebäude zu positionieren. In einer halsbrecherischen Aktion gelang es jetzt dem Feuerwehrkameraden das Kind in den Korb der Drehleiter hinein zuschieben. Unter absoluter Lebensgefahr gelang es dem Kameraden das Kind und sich selbst immer weiter in den Korb der Drehleiter hineinzubringen. Unterstützung erhielt er vom stellv. Zugführer, der jetzt ohne Atemschutz über den Leiterpark dem Kameraden zur Hilfe geeilt war. Aufgrund der weiten Ausladung des Leiterparks und des schlagartigen Gewichtes durch die „zugestiegenen“ Personen verhakte sich der Drehleiterkorb an der Gebäudestruktur. Erst nachdem der stellv. Zugführer wieder über den Leiterpark die Drehleiter verlassen hatte, gelang es, die geretteten Personen nach unten zu befördern. Sofort wurde das Kind vom Rettungsdienst übernommen und unverzüglich intubiert. Die Menschenrettung war jetzt abgeschlossen – alle Beteiligten hatten einen sehr großen Schutzengel gehabt. Kurz nach Abschluss der Menschenrettung ordnete der Ersteinsatzleiter, jetzt Abschnittsleiter an, dass sich alle Kräfte aus dem Gebäude kurzfristig zurückziehen, damit man einen Lageüberblick bekam und den Einsatz neu strukturieren konnte.
Auf der Internetseite der Feuerwehr Bad Harzburg finden Sie den detaillierten und reich bebilderten Einsatzbericht. Empfehlen möchten wir Ihnen zudem den sehr ehrlichen Abschlussbericht.
Auf dem Kongress Atemschutzunfaelle.eu - LIVE 2009 wurde der Unfall sowie die daraus abgeleiteten Konsequenzen von zwei Führungskräften der FF Bad Harzburg vorgestellt.
Quelle: Uwe Fricke, Freiwillige Feuerwehr Bad Harzburg