Atemschutzüberwachung
Erstellt: 2000, letzte Überarbeitung: November 2013
(bl) „Bei einem Feuer in einer Chemiefabrik kam es zu einem unbemerkten Luftverlust. Die erste Druckabfrage des Maschinisten (nach 10 Minuten) machte den Angriffstrupp darauf aufmerksam, dass ein Kollege einen Restdruck von 170 bar, der andere jedoch nur noch 30 bar hatte. Die Restdruckwarneinrichtung wurde aufgrund der firmeneigenen Alarmsirene nicht bemerkt! Der Trupp konnte den Gefahrenbereich unverletzt verlassen. Vermutliche Ursache: undichte Überdruckmaske.“ (wir berichteten). Was wäre passiert wenn die Atemschutzüberwachung nicht stattgefunden hätte? Ist der Angriffstrupp ausreichend sensibel und schaut alle paar Minuten auf sein Manometer? Wie gut ist die zeitliche und räumliche Orientierung eines Angriffstrupps unter Stress, bei Nullsicht?
Die Vorschriften sind seit vielen Jahrzehnten eindeutig. Bereits 1939 wurde in der Ausbildungsvorschrift für den Feuerwehrdienst (AVF), II. Teil: Der Gasschutzdienst in den darin enthaltenen „Richtlinien für den taktischen Einsatz der Gasschutzgeräte“ ausgeführt:
- Truppstärke mindestens zwei FA
- einer davon der Truppführer
- geschlossenes Vorgehen im Trupp
- sichere Verbindung (Leine, Schlauch) nach außen
- Kräfte zur Ablösung
- Kräfte die bei Gefahr sofort eingreifen können (Sicherheitstrupp!)
- Klare Führungsstruktur!
- Nur so lange im Einsatz unter „Gasschutz“ arbeiten, wie auch der sichere Rückweg gewährleistet ist!
- Der Truppführer muss sich von Zeit zu Zeit über den Druckgasvorrat (damals Sauerstoff) im Trupp informieren.
- Das befreit den Leitenden (Befehlsgeber, also Fahrzeugführer!) nicht davon, die Rückkehr anzuordnen und auch zu überwachen.
- Klarer Einsatzauftrag an den Trupp ist nötig, der auch zu schaffen sein muss
- Vorgehen im Notfall
- Sammelstelle für größere Einsätze (Geräte/Trupps)
In der Feuerwehr-Dienstvorschrift 7 „Atemschutz“ wurde in den 70er Jahren festgehalten: „An umfangreichen Einsatzstellen muß eine Registrierung der Atemschutztrupps und eine Zeitkontrolle durchgeführt werden.“
In einigen Feuerwehren wurden damals Methoden zur Atemschutzüberwachung erprobt und eingeführt. Eine größere Akzeptanz der Atemschutzüberwachung konnte jedoch erst nach 1996 beobachtet werden. Die BF Köln setzte, nach einem tödlichen Dienstunfall, eine interkommunale Unfallkommission ein und leistete damit wertvolle Arbeit. Aus dem damals veröffentlichten Unfallbericht können auch heute noch Lehren für technische, organisatorische und personelle Maßnahmen gezogen werden. Ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Arbeitssicherheit ist die konsequente Atemschutzüberwachung. In der englischen Feuerwehr gab es zu der Zeit ein funktionierendes und einheitliches Überwachungssystem, welches zur Einführung empfohlen wurde. Die FwDV 7 wurde 2002 grundlegend überarbeitet und 2005 nochmals verfeinert. „Bei jedem Atemschutzeinsatz [...] und bei jeder Übung [...] muss grundsätzlich eine Atemschutzüberwachung durchgeführt werden.“. Im Jahr 2005 gab es einen tödlichen Atemschutzunfall, der 2008 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde: „[...] die Ermittlungen ergeben, dass die Atemschutzüberwachung des verunfallten Trupps, entgegen der den Atemschutzeinsatz regelnden Dienstvorschrift ohne jegliche Zeiterfassung erfolgt ist […] zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von dem Einsatzauftrag des verunglückten Atemschutztrupps und dessen Standort hatte. Funkmeldungen bzw. Funkabfragen hinsichtlich des Einsatzzieles, des jeweiligen Einsatzortes und der lagebedingten Einsatzbedingungen erfolgten nicht [...].“
Die dezentrale Organisationsform der deutschen Feuerwehren, macht es bis heute offenbar unmöglich ein einheitliches System einzuführen. Nach dem etliche Feuerwehren ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben, konnten sich jedoch ein paar Standards durchsetzen, die auch so in der Fachliteratur (z.B. Atemschutz, seit 1999; Cimolino - Hrsg.) beschrieben sind:
- Atemschutzüberwachung ist eine Unterstützung der Angriffs- und Sicherheitstrupps
- Restdruckberechnung/Einschätzung des Rückweg bleibt beim Angriffstrupp
- ein Restdruckwarner ist kein Rückzugsignal!
- Rückweg = Atemluftmenge für Hinweg x 2
- Verantwortlich für die Atemschutzüberwachung ist immer der einsetzende Einheitsführer (Fahrzeugführer)
- Notwendig für alle Atemschutzeinsätze ohne direkten Sichtkontakt (inkl. CSA-Einsätze)
- alle Atemschutzeinsätze, abgesehen von Container- oder Fahrzeugbränden im Freien
- Etabliert haben sich einfache Atemschutzüberwachungstafeln für max. drei 2er-Trupps
- Bedienung der Tafel übernimmt der Maschinist oder ein FA ohne sonstige Aufgabe
- Grundsätze im Atemschutzeinsatz und Bedienung der Tafel muss bekannt sein
- Truppmann-Qualifikation ist ausreichend
- eine Funktionsweste ist überflüssig
- Registriert werden:
- Namen (z. B. über eine Plakette)
- Truppname
- Weg und Ziel des Trupps (z. B. 1. Rohr, linkshand, 2. OG)
- Druck/Uhrzeit beim Anschließen
- Druck/Uhrzeit bei 1/3 und 2/3 der zu erwartenden Einsatzzeit
- Atemschutzüberwachung erfolgt fahrzeugbezogen
- zentrale Überwachung ist nur bei größeren Lagen - an einem Zugangspunkt sinnvoll (ABC-Lage, Brände in U-Bahn oder Hochhaus), auch hier gilt max. drei Trupps pro Überwacher, zusätzlich ist eine Führungskraft zur Koordinierung mehrerer Überwacher sinnvoll
- Führungs- und Abschnittsbildung ist zwingend erforderlich:
- Trupps im Innen- und Außenangriff müssen dabei mit ihren Einheitsführern, Maschinisten und dem Abschnittsleiter auf der gleichen DMO-Rufgruppe/Kanal sein
- Einsatzleiter, Abschnittleiter und Führungsfahrzeuge nutzen eine separate DMO-Rufgruppe/Kanal
Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass scheinbar hochtechnisierte Atemschutzüberwachungstafeln wieder in den Hintergrund rücken. Teure Systeme bieten nicht automatisch die sicherste Lösung. Unter dem Aspekt „weniger ist mehr“ gehen viele Feuerwehren inzwischen wieder auf einfachere Tafeln zurück.
Dem bewährten englischen System entsprechend, verwenden zahlreiche Feuerwehren seit Jahren Plaketten, die eine Atemschutzüberwachung deutlich erleichtern. Die Plaketten sollten den Atemschutzgeräten zugeordnet und mit deren Gerätenummern versehen werden. Müssen unterschiedliche Grundeinsatzzeiten genutzt werden, sind die Plaketten farblich zu sortieren: gelbe Plaketten für einfache Pressluftatmer (30 Min. Grundeinsatzzeit), rote Plaketten für Langzeit-PA (60 Min. Grundeinsatzzeit) usw. Empfehlenswert ist es, die Plakatte am Schlüssel des Notsignalgebers zu fixieren. Sobald die Plakette an der Überwachungstafel hängt, ist auch der Notsignalgeber aktiviert. Auf der Plakette kann schon im Vorfeld der Flaschenfülldruck notiert werden (z. B. im Rahmen einer monatlichen Kurzprüfung). Sollte bei der Einsatzkurzprüfung der Druck geringer sein, muss der Wert natürlich korrigiert werden. Der Name sollte idealerweise auf ein Flauschband geklettet werden. Die Vorbereitungen können problemlos auf der Anfahrt erledigt werden, sofern die Tafel im Mannschaftsraum hängt.
Gelegentlich ist zu beobachten, dass die Atemschutzüberwachung mit der Dokumentationspflicht verwechselt wird. Der persönliche Atemschutznachweis über Unterweisungs-, Übungs- und Einsatzstunden hat eigenverantwortlich oder zentral zu erfolgen. Der Leiter der Feuerwehr hat jeweils die Aufsichtspflicht. Der ebenso wichtige Gerätenachweis erfolgt durch die Atemschutzwerkstatt und wird bei Zwischenfällen zu einem sehr wichtigen Dokument für alle Beteiligten. Die Atemschutzüberwachung an der Einsatzstelle ist eine Registrierung – KEINE Dokumentation und muss lediglich bei Zwischenfällen oder zur Einsatznachbereitung aufbewahrt werden.
Auszüge aus dem Text wurden im Feuerwehr-Magazin 12/2013 (S. 27) veröffentlicht.
Bildquelle: Jürgen Truckenmüller und Feuerwehr Bramsche-Achmer
Blick über den Tellerrand
Strategic & Tactical Worksheet
(Stand 2004) Das nachfolgend vorgestellte System wird von den Feuerwehren in Monroe County (Florida Keys, USA) eingesetzt. Jeder FA hat Namensplaketten mit Klett am Helm, diese werden auf das Funkgerät des Gruppenführers und auf die Überwachungstafel geklettet. Jeder registrierte Feuerwehrmann bekommt ein großes gelbes Klettschild auf seinen Helm, so wird vermieden dass unregistrierte FA vorgehen. Ein ähnliches Verfahren nutzen einige wenige Feuerwehren in Deutschland mit orangefarbenen Haftstreifen an der Überjacke, wird der FA registriert gibt er sein Namensschild ab und der orange Haftstreifen wird sichtbar.
Rapid Deployment Board
(Stand 2003) Das Rapid Deployment Board stellt in Groß Britannien die minimalste Atemschutzüberwachung dar. Die "Rapid Deployment Procedure" darf nur bei Menschenleben in Gefahr und wenn absolut keine eigenen Kräfte in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen angewandt werden. Ein zweiter Grund für diese Minimalüberwachung besteht wenn eine gefährliche Eskalation der Schadenslage durch schnellstmögliches Eingreifen verhindert werden kann.
- Rapid Deployment Procedures dürfen nur in außergewöhnlichen Situationen angewandt werden
- Nur wenn sich nicht mehr als zwei PA-Träger in der Gefahrenzone befinden
- Nur wenn sich die zu rettenden Personen in Sichtweite befinden oder sich deren Aufenthaltstort bekanntermaßen in der Nähe des Zugangs befindet
- Schnellstmöglich muss die "Rapid Deployment Procedure" durch eine ordentliche Atemschutzüberwachung ersetzt werden (Stage 1)
Die elektronische Uhr wird durch das Einscheiben einer Geräteplakette aktiviert. Auf der Plakette wird die Startzeit (TIME IN) vermerkt. Auf der Rückseite finden sich zwei Felder für Strahlenschutzeinsätze. Vor einem Strahlenschutzeinsatz wird die evtl. aufgenommene Dosis notiert (in der Regel 0 µSv), nach dem Einsatz wird die aufgenommene Dosis vom Dosismessgerät abgelesen und ebenfalls notiert, in unserem Beispiel 5 µSv.
Quelle: Technical Bulletin 1/1997 - Breathing Apparatus Command & Control Procedures